Regenerative Agrikultur – weniger Ideologie, weniger Probleme, mehr Boden

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Wer als Landwirt ernsthaft etwas für Klima und Böden tun will, hätte mit der Regenerativen Agrikultur oder kurz Regen Ag ein offenes System zur Hand. Jedoch gilt es bei der Implementierung wie bei der Vermarktung, gewachsene Systeme zu überwinden.

Die Schweiz ist stolz auf ihre Bio-Landwirt:innen, die auf 7819 Betrieben (rund 18% der Höfe) auf umweltschonende Weise Lebensmittel produzieren. Und die grüne Knospe, unter der ihre Produkte vermarktet werden, ist den Konsument:innen in aller Regel einen entsprechenden Aufpreis wert. Doch die Kaufkraft in der Schweiz ist unter Druck und Marktforscher fragen sich, wie lange Konsumentinnen und Konsumenten diese Prämie fürs gute Gewissen noch zu bezahlen bereit sein werden. Vor allem, weil die in der Schweiz «höheren Produktionskosten nur einen Bruchteil des Mehrpreises erklären, den Konsumenten im Supermarkt bezahlen», wie die NZZ 2021 in einem spannenden Artikel festhielt.

Gutes Gewissen darf kein Luxus sein

Derweil stellen sogar einstige Vorkämpfer des Bio-Anbaus fest, dass die Produktion nach entsprechenden Standards nie ausreichen wird, um den gesamten Lebensmittelbedarf der Menschheit zu decken. Ist Bio demnach nur etwas für Reiche? Und gutes Gewissen ein Luxus, wie manche Verfechter des Weiter-wie-bisher behaupten? Sicher ist: Solche Fragestellungen sind keine gute Grundlage für eine Vorwärtsentwicklung für mehr umweltbewussten Anbau. Überdies hat eine Zweiklassengesellschaft – Bio nur für die, die es sich leisten können – zur Folge, dass Böden, die ausserhalb des Bio-Systems bebaut werden, unter noch höheren Produktionsdruck geraten.

Eine andere Art, mit der Bio-Problematik umzugehen, ist eine Befreiung von einschränkenden Standards bei hoch bleibenden Ansprüchen an die Umweltverträglichkeit. Und hier kommt die Regenerative Agrikultur, kurz Regen Ag, ins Spiel. Konzipiert von Vorreitern aus den USA, die sich schon lange über die Verödung landwirtschaftlich genutzter Böden Gedanken machen, setzt sie auf eine Landwirtschaft, die an die Dreifelderwirtschaft aus den Zeiten der neolithischen Revolution erinnert – unterstützt von den Technologien und dem Wissen auf dem heutigen Stand.

Regenerativ bebaute Böden sind nämlich in der Lage, neuen Humus aufzubauen, der von einem reichen Mikrobiom aus Bakterien und Kleinstlebewesen bevölkert ist. Diese wiederum leben in Symbiose mit den vom Menschen kultivierten Nutzpflanzen. Diese werden niemals in Monokultur angebaut und profitieren über ihre Wurzeln vom reichen Bodenleben. Weiter binden regenerativ bebaute Böden viel mehr Wasser als Böden, die bis zwei Mal jährlich per Pflugschar ihr Unterstes zuoberst gekehrt bekommen, um dann Wind, Regen und brennender Sommersonne ausgesetzt zu sein. Und das Mikrobiom regenerativ bebauter Böden gilt als effiziente Art, den CO2-Überschuss abzuführen, das der Mensch durch Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre einträgt. Regen Ag hilft also beim Abmildern des Klimawandels. All das basiert nicht auf irgendwelchen Annahmen, sondern wurde auch vom Schweizer Wissenschaftsnetzwerk scnat Network in einem umfangreichen Report festgehalten.

Ein notwendiger Blick auf die politischen Sachzwänge

Weil die Landwirtschaft international eine profitable Industrie ist, streben gigantische Weltkonzerne danach, möglichst grosse Marktanteile zu erringen. Es ist auf allen Ebenen viel Geld im Spiel, und wo das der Fall ist, reissen Lobbyarbeit und ideologische Debatten tiefe Gräben auf. Der Ukrainekrieg hat die Situation noch verschärft. So sagte Erik Fyrwald, CEO des Agrogiganten Syngenta in der NZZ 2022: «Erträge im Biolandbau können je nach Produkt um bis zu 50 Prozent tiefer ausfallen. Die indirekte Folge ist, dass Menschen in Afrika hungern, weil wir immer mehr Bioprodukte essen.» Bio Suisse entgegnete in einer Replik: «Internationale Forschungsprojekte zeigen, dass der Biolandbau gerade in ärmeren Gebieten oft mindestens ebenso hohe Hektar-Erträge liefert wie die konventionelle Landwirtschaft, häufig profitabler ist und dabei die natürlichen Ressourcen schont.» Um die Weltbevölkerung zu ernähren, reiche es aber nicht, die konventionellen Probleme mit biologischen Methoden zu lösen. Gefragt sei ein gesamthafter Wandel des globalen Ernährungssystems, zu dem Bio beitragen könne.«Wenn wir den Food Waste halbieren und halb so viele tierische Lebensmittel konsumieren, dann müssen wir nicht auf den Biolandbau und seine Vorteile verzichten», so Jürn Sanders, Vorsitzender der Direktion am Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau FibL in einem Interview zum Thema.

Es hat sich ergeben, dass rechte Parteien eher die konventionelle Landwirtschaft vertreten – weshalb das so ist, müsste separat erörtert werden – und linke Parteien sich des Umwelt- und Konsument:innenschutzes angenommen haben. Derweil fühlen sich die Landwirte zerrieben zwischen den Produzenten von Maschinen, Dünger und Saatgut, den Grossverteilern als preisbestimmenden Abnehmern ihrer Produkte und dem Staat. Die Bestrebungen in Richtung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems werden immer weiter in die Zukunft hinausgeschoben.

In der Auseinandersetzung zwischen konventioneller und nachhaltiger Produktion von Lebensmitteln hat niemand «Recht» – beide Anforderungen an die Landwirtschaft sind legitim. Ideologische Positionen sorgen jedoch dafür, dass konventionelle Produktion nur langsam nachhaltiger wird. Derweil führt das einst positive Image von Bio zu Problemen: Niemand wird beim Einkauf im Supermarkt gerne daran erinnert, dass er ein schlechtes Gewissen haben sollte, weil er sich vielleicht keine teuren Bioprodukte leisten kann. Bioprodukte gelten immer mehr als städtischer Luxus und stehen zudem im Ruf, den Grossverteilern unanständig hohe Gewinnspannen zu ermöglichen.

Regen Ag als Ausweg aus dem Dilemma

Die Regenerative Agrikultur ist im Vergleich zum Bio-Konzept offener: Es gibt keine fixen Vorschriften, es gibt dementsprechend keine offiziellen Labels, unter denen Produkte aus dieser Produktionsform vermarktet werden. Mehr über die Prinzipien der Regen Ag findest du hier.

Regen Ag ist ein modernes Konzept, weil es nicht auf Vorschriften basiert, sondern auf Pragmatismus. Die Welt wird in Zukunft mehr davon brauchen, denn mit der politischen Polarisierung, die die Gesellschaft zunehmend undurchlässig macht, ist den Konsument:innen zuletzt gedient. Die Regen Ag ist allerdings kein Allheilmittel. Eine grundlegende Umstellung des Ernährungssystems ist mittelfristig unabdingbar. Aber hey: Wenn mehr Menschen auf möglichst viel Einkauf aus regenerativer Agrikultur umstellen, wird unsere Kulinarik, wird unsere ganze Ernährung vielleicht weniger global und es wird mehr Fantasie erforderlich sein beim Zubereiten vielfältiger Gerichte. Dafür essen wir saisonaler und regionaler. Und das tut dem Menschen erwiesenermassen genauso gut wie den Böden.

Regen Ag gehört zum genetischen Erbgut von Soil to Soul. Schliesslich hat die ganze Idee der im 2020 ins Leben gerufenen Bewegung ihren Ursprung darin, dass der Gründer von Soil to Soul auf seiner Farm Terramay im südlichen Portugal lernen wollte, durch Landwirtschaft geschädigten Böden neues Leben einzuimpfen. Bringe jetzt in Erfahrung, wie du im Sinne von Soil to Soul selbst einen Beitrag zur klimaschonenden, integrierten Landwirtschaft von morgen leisten kannst. Bereits heute kannst du etwas tun, indem du mehr Produkte aus regenerativen Betrieben einkaufst.

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