Lass uns reden. Über den Boden.
Neben Luft und Wasser ist der Boden unsere wichtigste Lebensgrundlage. Das gesamte Leben unserer Erde ist abhängig von einer zirka 30 Zentimeter dicken Humusschicht, dem Oberboden. Nur wenn dieser fruchtbar und lebendig ist, kann der Boden unsere Ernährung sichern. Doch wie gehen wir mit dem Boden um, dass wir seine Lebendigkeit erhalten, und sind wir wirklich auf dem richtigen Weg?
Der Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Düngern stört das Bodenleben und bedroht die Reinheit unseres Grundwassers. Forscher der Universität Bonn (D) kamen zu dem Schluss, dass die intensive Landwirtschaft, wie wir sie seit der Agrarindustrialisierung kennen, für die Volkswirtschaft eine Minusrechnung darstellt. Langfristig kostet uns der stattfindende drastische Rückgang der Bodenfruchtbarkeit und der biologischen Bodenvielfalt ein Vermögen. Mit der Verarmung unserer Böden geht einher, dass sie ein verringertes Wasserspeichervermögen aufweisen und anfälliger für Erosion sind.
Weltweit gibt es ganz unterschiedliche Gründe für den Kulturlandverlust. Steht auch die Schweizer Landwirtschaft vor einem Bodenproblem? «Ja sicher, aber es müsste keines sein. Und die Frage ist doch warum?», kommt Jürg Raths vom Hof Brachland in Bubikon gleich zur Sache. «Was in Millionen von Jahren gewachsen ist, bringt der Mensch seit Ende des 19. Jahrhunderts in Gefahr. Verstärkt durch den Einsatz von synthetischen Spritz- und Düngemitteln, wie sie seit dem 2. Weltkrieg eingesetzt werden.»
Heute müssen wir einen Verlust von 30 % der gesamten Nutzfläche eingestehen und erkennen, was das Bundesamt für Landwirtschaft schon 2014 festgehalten hat: «Die langfristige Fruchtbarkeit von landwirtschaftlichen Böden in der Schweiz ist infrage gestellt. Obwohl wir mit dem Umweltschutzgesetz Art. 1 + 2 und dem Gewässerschutzgesetz Art. 6 die gesetzlichen Grundlagen haben, liegen die Gewässerbelastungen vielerots über den Grenzwerten. Weiter wie bisher ist also keine Option», sagt Raths.
Ohne Humus kein Leben
Vor fünfzehn Jahren begann Raths seinen Landwirtschaftsbetrieb in Bubikon aufzubauen. Kernstück ist eine 70 Aren umfassende Strauchbeeren- und Obstanlage – nach neuestem Stand der Anlagentechnik und den Richtlinien von Bio Suisse. Nach wenigen Jahren schon fiel das Fazit aber ernüchternd aus. Der Boden unter den mit Plastikfolie gemulchten Beerenkulturen präsentierte sich leblos. Messungen ergaben einen so geringen Humusanteil, dass der teils kümmerliche Zustand der Beeren kaum verwunderlich schien. Der Hof Brachland drohte seinem Namen alle Ehre zu machen. Wichtige Impulse von Angestellten sowie seine eigenen Beobachtungen liessen Jürg Raths umdenken. Von nun an lag der Fokus auf dem Boden, und der Betrieb erlebte eine grundlegende Revitalisierung. Aktuelle Messungen beweisen einen maximalen Humusgehalt von 10,4 % in der Beerenanlage, was weit über den üblichen Werten liegt.
Regenerative Landwirtschaft
Der Fokus auf die Bodenbiologie macht das Zusammenspiel der Obst- und Beerenkulturen mit den Prozessen der Bodenspähre eindrücklich sichtbar. Ganz im Sinne der regenerativen Landwirtschaft konnte die Bodenfruchtbarkeit gesteigert werden und die Abhängigkeit von Hilfsstoffen beschränkt sich auf selbst gemachte «Tees» und vereinzelte Einsätze mit biologischen Spritzmitteln. Das etwas spezielle Brachland in Bubikon bringt gute Erträge und Früchte von hervorragender Qualität hervor. Die Förderung des Bodenlebens und die Schliessung der Nährstoff- und Wasserkreisläufe hat zum Ziel, den Boden über die Bewirtschaftung langfristig aufzubauen. Zu den Grundsätzen zählt, den Boden ständig durchwurzelt und bedeckt zu lassen, die Bodenbearbeitung minimal zu hal-ten und die Biodiversität zu fördern, was die Integration von Nutz- und Wildtieren in das Agrarökosystem einschliesst. Für Jürg Raths entspricht der Kern der regenerativen Landwirtschaft einer Selbstverständlichkeit: «Heute wissen wir ja, mit welchen Einbussen an Bodenqualität wir die gleichförmigen Höchsternten eingefahren haben. Einiges, was wir heute anwenden, findet sich in den Grundsätzen des bio-dynamischen Anbaus, in Begriffen wie Permakultur oder in Agroforstsystemen wieder. In der regenerativen Landwirtschaft kommt u.a. wieder ein vorindustrielles Wissen zum Zuge. Wir müssen uns in der Landwirtschaft davon verabschieden, Güterproduktion zu betreiben. Stattdessen müssen wir dazu beitragen, unsere agrarischen Ökosysteme zu pflegen und intakt zu halten.»
Labor Futur
Wer den Obst- und Beerenhof in Bubikon besucht, taucht mitten ins Labor Zukunft ein. Mit den Mitteln und dem Wissen von Gestern entsteht eine berechtigte Hoffnung auf die Ernährungssicherheit von Morgen. Eutrophe, d. h. zu stark mit Mineralien angereicherte Gewässer und Grünflächen, pestizidbelastetes Trinkwasser, verdichtete und ausgelaugte Böden sind das Ergebnis einer intensiven Agrarkultur. Allerdings hat die Intensivierung der Landwirtschaft auch die Basis für den technologischen Fortschritt des 20. Jahrhunderts gelegt. Die Obst- und Beerenanlage auf dem Brachland ist ein in sich geschlossenes Ökosystem, in dem die Kulturen indirekt – über den Boden – gestärkt werden. Denn aus einem leblosen Substrat kann kein neues Leben entstehen und sich etablieren. Klingt logisch und die Vielfalt auf dem Hof erscheint als die schlüssige Folge davon. Mittlerweile stehen die Beerenkulturen auf den Dämmen mit einer Mulchschicht aus Rasenschnitt, teilweise Pilzsubstrat und feinem Häcksel. Unter den Beerenruten leuchtet der Mangold und im Frühjahr die Vogelmiere und vieles mehr. Meerrettich, Knoblauch und Zwiebel übernehmen die Rolle des Fungizids. Obwohl Kupferspritzungen teilweise auch im Demeter-Anbau zugelassen wären, sind sie für Raths seit Betriebsbeginn ein «No-Go». Nicht ohne einzuwenden, dass auch seine Pflanzen manchmal Geduld und Heilung brauchen und dass keineswegs immer alles tadellos läuft. «Aber Pflanzen können sich sehr gut selber helfen – man muss wissen, wie man sie dabei unterstützt», führt Raths nachdenklich an. «Es ist vor allem der gesunde, nährstoffreiche Boden, in Wechselwirkung mit Mischkulturen und Nützlingen, die den Pflanzen helfen, sich aus eigener Kraft zu erholen. Und es braucht viel Musse wie auch Geduld, nicht einzugreifen.»
Für eine möglichst sanfte Bodenbearbeitung verzichtet Raths vollständig auf das Umpflügen des Bodens und vermeidet damit den Strukturbruch der oberen Bodenschicht. Mit der zurückhaltenden Bodenbearbeitung wird das Bodenleben minimal gestört und die bodeneigenen Prozesse maximal unterstützt. Die Vielfalt der Erzeugnisse vom Brachland spiegelt die Vielfalt des Agrarökosystems auf dem Betrieb wider. Die Beeren und Früchte werden, neben dem Gemüse und weiteren Produkten, in den Biofachgeschäften der Region und zunehmenda direkt an Kunden verkauft.
Die Agrarpolitik kommt in Bewegung
Die gegenwärtige Situation der Schweizer Landwirtschaft weckt Zweifel. Die Bodenbelastungen durch synthetische Dünger und Pestizide sind hoch, deren Rückstände in unserem Trinkwasser ebenso. Mit der Trinkwasser-Initiative und der Pestizid-Initiative soll dies geändert werden – mit unterschiedlichen Massnahmen. Der Zustandsbericht zu den Schweizer Böden des Bundesamtes für Umwelt von 2017 hält fest, dass die Qualität unseres Trinkwassers direkt von intakten und belebten Böden abhängt.
Jürg Raths unterstützt beide Initiativen und sieht sich in der Stossrichtung bestätigt. Wir sollten uns fragen, woher unser Essen kommt und wie der Boden behandelt wird, der unsere Lebensmittel hervorbringt. Ein intakter und belebter Boden ist die Zielsetzung der regenerativen Landwirtschaft. Ein Boden, der die benötigten Nährstoffe zur Verfügung stellt, ohne übernutzt zu werden. Ein gesunder Boden, der von synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln verschont bleibt.
Fruchtbarer Boden ist endlich – und deshalb unendlich kostbar!
Wer sich einbringen und für die Schweizer Böden stark machen möchte, kann eine Patenschaft für die Bodenfruchtbarkeit abschliessen oder direkt das Brachland tatkräftig als Nachhaltigkeitspionier oder auch finanziell unterstützen:
→ bodenfruchtbarkeit.bio
→ brach-land.com
Ein grosses Dankeschön an unseren Content Partner Pflanzenfreund und an Inga Laas & Jeremias Lütold!