Ernährungssicherheit: Grund genug für besseren Bodenschutz?

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Unter Ernährungssicherheit versteht man die Fähigkeit eines Landes, die von seiner Bevölkerung benötigten Lebensmittel selbst zu produzieren. Die Schweizer Politik sollte in dieser Hinsicht wohl rasch mehr unternehmen, um ihre selbst gesetzten Ziele zu erfüllen.

Rund die Hälfte der in der Schweiz verbrauchten Kalorien für menschliche Ernährung muss importiert werden. Die andere Hälfte wird im Rahmen der Landwirtschaft auf nutzbaren Böden innerhalb unserer Landesgrenzen erzeugt. Diese Böden stehen unter Druck, denn Klimawandel, Trockenheit und Übernutzung im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion machen ihnen zu schaffen. Dies ist das Fazit einer Studie des landwirtschaftlichen Forschungsinsituts Agroscope, veröffentlicht im Oktober 2023.

Die Politik betrachtet es folgerichtig als zwingend, die sogenannten Fruchtfolgeflächen, also landwirtschaftlich nutzbares Land, wo immer möglich zu erhalten. Aufgrund eines Ernährungsplans legte der Bundesrat bereits 1992 fest, dass eine Gesamtfläche von 438 460 Hektaren theoretisch für den Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung stehen sollte.
Diese Menge an Ackerland sollte ausreichen, um in Zeiten fehlender Lebensmittelimporte gut 8 Millionen Menschen zu versorgen (wenn diese ihre Ernährungsgewohnheiten stark verändern und deutlich weniger tierische Produkte konsumieren würden).

DIE BASIS DES LEBENS - UND NOCH VIEL MEHR

Ohne auf das falsch eingeschätzte Bevölkerungswachstum einzugehen, lässt sich eines daraus mit Leichtigkeit ableiten: Wir sollten viel besser auf unsere Böden acht geben. Denn neben ihrer Funktion als Grundlage für die Produktion von Lebensmitteln haben sie überdies eine Regulierungsfunktion als Schaltstelle der natürlichen Kreisläufe. Sie nehmen Grundstoffe des Lebens auf, wandeln sie um und machen sie für die Organismen wieder verfügbar, wobei sie auch noch Schadstoffe abbauen können. Weiter speichern gesunde Böden Wasser und sorgen somit für weniger Überflutungen im Fall der zunehmenden Starkniederschläge. Im Humus ist weiter doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie in der Atmosphäre, was ihn zu einem wichtigen Hilfsmittel im Kampf gegen den steigenden Gehalt an CO2 in der Atmosphäre macht. Und nicht zuletzt dienen die Böden den Pflanzen als Wurzelraum und sind damit nicht nur die Basis aller Landlebensräume, sondern stellen auch selbst ein Biotop dar: Etwa ein Viertel aller bekannten Arten besiedelt die Böden, Mikroorganismen nicht eingerechnet.

Bild: Jed Owen

Wie auf der Webseite des Bundesamtes für Umweltschutz Bafu nachzulesen ist, hat die Eidgenossenschaft deshalb ergänzend eine sogenannte Bodenstrategie lanciert: «Netto null Bodenverlust ab dem Jahr 2050: Dies ist ein Kernziel der im Mai 2020 vom Bundesrat verabschiedeten Bodenstrategie.» Eine ernüchternde Einschränkung wird gleich nachgereicht: «Derzeit sind wir noch weit davon entfernt.» Verschiedene Probleme stellen sich der Realisierung von Netto null Bodenverlust in den Weg – zum einen ist es die Erosion, von der gemäss Bafu rund 40% der Äcker betroffen sind, zum anderen ist es die eifrige Tätigkeit der Baubranche.

DER BODENVERLUST HAT VIELE GRÜNDE

Im Agroscope-Forschungspapier zur Ernährungssicherheit unseres Landes von 2023 werden erwartungsgemäss zahlreiche Faktoren wie die Weltmarktlage, Auswirkungen der Inflation oder Extremwetterlagen erfasst. Die effektive Leistungsfähigkeit der Schweizer Böden und die langfristige Gewährleistung ihrer Qualität ist kein wirkliches Thema, wenn man von Äusserungen der Besorgnis hinsichtlich zunehmender Bautätigkeit absieht. Es ist ja auch offensichtlich, dass in einem dicht besiedelten, unter hohem Einwanderungsdruck stehenden Land wie der Schweiz die Qualität landwirtschaftlich genutzter Böden sehr schwer zu sichern ist.

Derweil haben die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gezeigt, dass die Globalisierung kein Garant für die Verfügbarkeit von Lebensmitteln nach Lust und Laune mehr ist oder sogar rückgängig gemacht wird. Deshalb sollte es mehr als ein frommes Anliegen naiver Umweltfreaks sein, dass die Schweizer Böden vermehrt beobachtet und mit einer gewissen Rigorosität geschützt oder im Extremfall regeneriert werden sollten. Sonst kann die Politik unsere Ernährungssicherheit auch nicht mehr im knapp bemessenen Umfang von 50% schon bald nicht mehr gewährleisten.

BODEN IST NICHT GLEICH BODEN

Bei all der Zahlenstapelei stellt sich auch noch die Frage, wie die Bodenqualität eigentlich gemessen wird. Das ist nämlich gar nicht so einfach – die Beschaffenheiten von Böden können sich auf kleinem Raum sehr unterschiedlich präsentieren, was Geniesser aus der Diskussion um den Terroir-Begriff im Weinbau seit langem kennen. Der Bund kann die Böden nicht mit Fachleuten aus eigener Kraft überall überwachen, weshalb ein Forschungsprojekt unter dem Titel Spatenprobe ins Leben gerufen wurde. Auf der entsprechenden Webseite können Landwirtinnen und Landwirte lernen, die Qualität ihrer Böden einheitlich zu messen und über die Zeit zu verfolgen. Das Vorhaben wurde in der Hoffnung lanciert, dass die Landwirtschaft selbst erkennt, wenn Handlungsbedarf hinsichtlich der Regeneration von Böden gegeben ist und die Eigenverantwortung der Bäuerinnen und Bäuern wahrgenommen wird, wenn die Ergebnisse Anlass zu Sorge geben.

Soil to Soil versteht sich als Bewegung zum Schutz unserer Böden und engagiert sich dafür, dass Lebenmittel in Zukunft nicht mehr standardmässig in intensiver Landwirtschaft unter Einsatz von schweren Maschinen und synthetisch hergestellten Düngemitteln erzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist unser Mittel der Wahl das Konzept der regenerativen Landwirtschaft mit seiner grossen Offenheit gegenüber sämtlichen anderen Methoden – Bio ist dabei sicher oft richtig, aber nicht immer zwingend und schon gar nicht zuverlässigerweise kostendeckend. Soil to Soul setzt sich dafür ein, dass die Politik vermehrt auf die Problematik schwindender Bodenqualität hinweist und nicht nur die Folgen des Bodenverlustes gemanagt werden, sondern mehr informiert, mehr geschütz und vermehrt auch in den Wiederaufbau von Humus investiert wird.

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