Warum wir uns von Wildpflanzen ernähren sollten

02. Jun 2022 Gastbeitrag von : Permaterra - Lucas Meyer
Magazin

Irgendwie hat der Mensch es geschafft die Natur in zwei zu Teilen. Auf der einen Seite steht die Natur, die es zu schützen gibt, wie zum Beispiel das Naturschutzgebiet. Und auf der anderen Seite steht die sogenannte Kulturlandschaft. Auf diesen Flächen kultivieren wir unsere Nahrungsmittel. Wir reden bewusst von Nahrungsmittel, denn mit Lebensmittel, also Nahrung die lebensfördernd sind, hat das nicht mehr viel zu tun.

In der Permakultur (permanent agriculture) unterscheiden wir nicht zwischen Naturschutzgebiet und Kulturland. Denn es gibt einfach eines, die Natur, und der Mensch ist ein Teil davon. Wir wollen mit und nicht gegen die Natur arbeiten.

Was hat das Ganze mit Wildkräuter zu tun?
Anstatt jedes Jahr aufwendig den Boden mit Maschinen zu pflügen, zu düngen, Saatgut auszusäen und Pflanzen zu spritzen, fokussiert sich Permaterra in der Permakultur vermehrt auf mehrjährige Pflanzen oder auch Wildpflanzen. Denn einmal gepflanzt, kommen sie jedes Jahr immer und immer wieder. Oder man muss sie überhaupt nicht pflanzen und sie kommen von alleine. Der Arbeitsaufwand wird klein gehalten, der Boden nicht gepflügt und daher nicht geschädigt.

Wildkräuter sind Pflanzen, die nie vom Menschen gezüchtet wurden. Sie wachsen frei in der Natur und brauchen keinen Dünger, keine Pestizide oder sonst irgendwelche Mittel, um zu gedeihen. Sie werden daher fast nie von Schädlingen oder Krankheiten befallen und sind gesunde sowie starke Pflanzen, so rein wie die Natur sie hervorbringt. Daher haben Wildkräuter viel höhere Nährstoffgehalte als kultivierte Pflanzen. Die Brennnessel zum Beispiel hat einen achtmal höheren Vitamin C Gehalt als eine Orange. Auch der Proteingehalt ist durchschnittlich dreimal so gross wie bei kultiviertem Gemüse.

Habt ihr euch schonmal gefragt warum Wildpflanzen nie von den Schnecken gegessen werden, eure Salatköpfe aber schon?
Die Schnecken sind in unserem Ökosystem da, um alte, kranke oder faule Pflanzenteile zu zersetzen. Und wenn sie unsere Salatsetzlinge sehen, denken sie sich genau folgendes: “Diese arme Pflanze, sie riecht schlecht und ist bestimmt nicht gesund. Ich werde dich jetzt verspeisen und in diesem Garten das natürliche Gleichgewicht wieder herstellen”.
Die Wildkräuter haben auch noch andere Vorzüge. Nach einem langen Winter, in dem traditionellerweise lokal nur wenig frische Lebensmittel erhältlich waren, sind es die Wildkräuter, die als erstes wieder auftauchen, um uns mit all den nötigen Nährstoffen und Vitamine zu versorgen. So zum Beispiel kommt das Scharbockskraut schon im Februar zum Vorschein. Es liefert uns viel Vitamin C, um die letzten Winterwochen gut zu überstehen.

“Deine Nahrungsmittel seien deine Medizin”, sagt der griechische Arzt Hippokrates. Auf nur wenige Nahrungsmittel würde dieser Satz so gut zutreffen, wie auf Wildkräuter.

Die Bitterstoffe beispielsweise, welche in vielen Wildkräutern enthalten sind, helfen bei der Verdauung, fördern eine gesunde Darmflora und beugen Pilzinfektionen vor. Auch in unseren alten Gemüsesorten waren vermehrt Bitterstoffe zu finden. Diese wurden jedoch über die Jahre weggezüchtet und sind kaum noch in unserem Gemüse enthalten. Daher ist unser Gemüse heute eher süßlich als bitter. Weiter sind auch Gerbstoffe in vielen Wildkräuterarten vorhanden. Sie hemmen Entzündungen, neutralisieren Gifte und vertreiben Bakterien und Viren.

Die Verarbeitung von Wildkräuter
Wildkräuter werden am besten am Vormittag geerntet, nachdem der Tau bereits getrocknet ist. Alternativ kann auch am Abend gesammelt werden. Je nach Pflanze werden Blätter, Blüten, Samen oder die Wurzeln geerntet. Über ein Jahr hinweg geht eine Pflanze durch verschiedene Stadien. Im Frühjahr, wenn sie ihre Blätter bildet, steckt ihre ganze Kraft sowie ihre Nährstoffe in den Blättern. Dies ist die beste Zeit, um die Blätter zu ernten. Danach kommt die Knospe und dann wandert die Kraft von den Blättern in die Blüte. Die Blätter werden nicht geerntet. Gegen Herbst werden dann, je nach Pflanze, die Samen geerntet und schlussendlich auch die Wurzeln.

Bei der Ernte schaut Permaterra immer, dass sie die Pflanzen nicht mitsamt Wurzeln ausreissen und so geerntet werden, dass sie weiter wachsen können. Zudem wird nicht das ganze Feld abgeerntet, sondern regelmäßig den Standort gewechselt, sodass immer ein Teil der Natur überlassen wird.

Am besten verarbeitet man die Wildkräuter frisch, denn dann kann man von ihrer ganzen Heilkraft Gebrauch machen. Die Kräuter dienen für Pesto, in Salaten, Suppen, Risotto, und vieles mehr. Sie werden von Hand mit dem Messer oder der Schere klein gehackt oder geschnitten und ganz am Schluss beigefügt, da beim Kochvorgang sonst wertvolle Nährstoffe kaputt gehen können. Falls nicht alle Wildkräuter auf einmal verarbeitet werden können, kann man sie auch für kurze Zeit im Kühlschrank in einem verschlossenen Behälter lagern oder für Teemischungen und Gewürze trocknen. Dies macht man am besten an einem luftigen und schattigen Ort oder in einem Dörrgerät. Die Kräuter werden solange getrocknet bis sie knistern und leicht zerfallen, wenn man sie berührt.

Wenn du das nächste mal am Waldrand vorbei gehst, wirst du plötzlich eine Fülle an Lebensmitteln erkennen. Und falls du gerne mehr über Wildkräuter oder Permakultur lernen willst besuche die Permaterra Webseite, wo unter anderem auch Workshops angeboten werden.


Ein grosses Dankeschön an Lucas Meyer und Permaterra!