Veganes «Leder» ist im Mainstream angekommen
Wer wegen seiner Fragen betreffend planetarer Zukunft mit dem Fleischkonsum aufgehört hat, dürfte es längst gemerkt haben: Pflanzenbasierte Ernährung und Schuhe, Taschen oder Jacken aus Leder sind ein Widerspruch. Schön, dass es in dieser Hinsicht immer mehr Alternativen gibt, die nicht nur ethisch, sondern auch ästhetisch taugen.
Fleisch aus dem Bioreaktor wird bald alltäglich, ein Schäumchen aus Hafer-«Milch» ziert die trendigsten Cappuccini der Stadt. Im wurstverrückten Deutschland sinken beim Fleisch die Verbrauchszahlen. Nun hält sich auch die Mode nicht länger nobel zurück, wenn es um den Ersatz tierischer Produkte geht bei der Herstellung von Kleidern, Taschen und Schuhen. Denn vergessen wir nicht: Leder stammt in aller Regel von Tieren, die zwecks Fleischproduktion aufgezogen und geschlachtet wurden. Die Häute werden anschliessend in aufwändigen und in vielen Fällen umweltschädlichen Prozessen haltbar gemacht, um sie für Kleidung und Accessoires weiterzuverarbeiten.
Ökobilanz: Mies.
Stella McCartney war Pionierin, was vegane Accessoires zu ihren Modekollektionen anging. Ihre begehrten, mit Nieten oder Ketten verzierten und unverwechselbar gemachten Taschen galten für ein Produkt aus Lederersatz einst als unverschämt teuer, denn der Umgang mit Leder verlangt nach langjähriger Erfahrung bei den Leuten, die es verarbeiten. Dieses Expertenwissen und die Tatsache, dass Leder ein Naturprodukt ist, das aufwändig selektioniert werden muss, machten Ledertaschen relativ teuer. Aber heute sind Accessoires aus Lederersatz schon recht alltäglich geworden.
Damit ist allerdings erst ein Zwischenziel erreicht. Immer noch wird weltweit als Ersatz von Leder das sogenannte Kunstleder eingesetzt, eine eher nicht so schöne Angelegenheit aus den Kunststoffen PVC oder PU, die aus Erdöl hergestellt werden und bei der Verbrennung entweder giftiges Chlor oder Ozonkiller freisetzen. Deshalb wird weltweit eifrig nach Lederalternativen auf pflanzlicher Basis gesucht. Und man wird fündig: Turnschuhe werden heute aus Kaffee hergestellt, Mäntel aus Zuckerrohr und Taschen aus Pilzen! So hat das Massstäbe setzende Modehaus Hermès letztes Jahr gemeinsam mit dem Startup MycoWorks ein Proof of Concept abgeliefert: Die Tasche «Victoria» aus dem Werkstoff Sylvania, der auf haltbar gemachten Pilznetzwerken basiert.
Wer sich aus ethischen Gründen gegen Leder entscheidet, sollte allerdings noch weiter denken: Wie in einem bei der NZZ erschienenen Text zu lesen stand, werden erstens den meisten pflanzenbasierten Lederersätzen immer noch Kunststoffe beigemischt, die biologisch nicht ganz einfach abbaubar sind. Ausserdem sind die Designerinnen und Designer sich derzeit darüber einig, dass die neuen Werkstoffe an die Dauerhaftigkeit von Leder noch nicht herankommen. Und es hat nun mal keinen Sinn, aus ethischen Gründen den Verbrauch von Modeartikeln noch weiter zu erhöhen, denn auch – oder besser: Besonders in der Fast Fashion ist der Rohstoffverbrauch und die Freisetzung von CO2 ein gigantisches Problem. Derzeit noch besser als eine fancy Tasche aus Apfelleder ist wohl die Anschaffung eines Modells aus zweiter Hand, und dann dieses dafür über mehrere Jahre zu benutzen.
Hier geht’s zur Artikelsammlung der Designwebseite dezeen über pilzbasierte Produkte vom Velohelm bis zum Haus (englisch).