Hof Rinderbrunnen

Produzent:innen, die dem Boden gut tun

Ort

Die Wolken hängen tief. Die Regenschuhe klappern, erzeugen ein dumpfes Geräusch bei jedem Schritt. Wir schnüren den Schal enger um den Hals. Es ist wieder kälter geworden, in tiefere Lagen hat es geschneit. Neben uns erstrecken sich scheinbar leere Beete. Der Hof wirkt ruhig. Man könnte meinen, er sei noch im Winterschlaf. Eine ungewohnte Zeit, um einen Hof zu besuchen. Aber genau deshalb sind wir hier. Was passiert eigentlich, bevor die Blumenfelder blühen, bevor die Rinder auf der Weide grasen und wir frisches Gemüse ernten können?

Der Hof Rinderbrunnen liegt im “Züri Oberland“, einfach erreichbar zwischen Gossau und Wetzikon. Ein vielseitiger Hof, der von Judith und Martin Frei, unterstützt von einem vielseitigen Team, im Jahr 2023 übernommen wurde. Zuvor war es ein Nebenerwerbsbetrieb, den Judiths Eltern geführt hatten. Mit der Übernahme entschieden sie sich für eine komplette Umstellung auf Bio und den Ausbau der Direktvermarktung. Heute gehören zum Betrieb Rinder, Hühner, Ackerbau, Gemüse- und Blumenanbau sowie ein Hofladen.

Ein lautes „I-Ah!“ unterbricht die morgendliche Stille. Vom hinteren Teil des Hofes ertönt das Rufen von Sina und Oli, den beiden Eseln. Judith lacht. „Die beiden können es kaum erwarten, auf die Weide zu kommen. Esel sind ursprünglich Wüstentiere – deshalb müssen wir darauf achten, dass sie bei uns nicht zu viel fressen. Sie bekommen sonst gesundheitliche Probleme. Eigentlich wie wir Menschen.“

Ein paar Schritte weiter ist Elvira dabei den Boden der Blumenbeeten vorzubereiten. „Hier, schaut mal“, sagt sie und zeigt auf die Erde vor uns. Regenwürmer schlängeln sich darin. „Ein gesundes Bodenleben ist die Basis für gute Ernten. Einen gesunden Boden erkennt man unter anderem an aktiven Regenwürmern.“

Produkt

Es ist neun Uhr morgens, als wir den Hofladen betreten. Zwei Personen sind gerade dabei die Vitrinen aufzufüllen. „Nadine kümmert sich zusammen mit Luzia und Stephan um den Gemüsebau und Manuel absolviert gerade seine Ausbildung zum Landwirt", erklärt uns Judith bei der Begrüssung. Der Laden ist liebevoll kuratiert und bietet eine Mischung aus hofeigenen Erzeugnissen sowie Produkten aus der Region. „Die ersten Monate im Jahr sind eine Herausforderung“, erzählt Judith. „Die Vorräte vom letzten Sommer sind oft schon aufgebraucht, während die neue Ernte noch auf sich warten lässt.“ Stattdessen stehen jetzt Eingemachtes, Getreideprodukte, Eier und Fleisch im Mittelpunkt.

Im Stall, der an den Hofladen anschliesst sind die Galloway-Rinder untergebracht. Eine robuste Rasse, ähnlich den schottischen Hochlandrindern, aber ohne Hörner. „Sie sind ruhig, aber wachsam, mit einem starken Mutterinstinkt", erzählt Judith. Der Hof befindet sich aktuell in der Umstellung auf Hoftötung – ein Prozess, der nicht einfach zu genehmigen ist, aber aus Sicht der Landwirte und zum Wohl der Tiere grossen Sinn macht. „Wenn die Rinder in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, ist das wesentlich stressfreier – für die Rinder, aber auch für uns. Schlussendlich merkt man das auch an der Fleischqualität.“

Auch wenn es auf den ersten Blick ruhig wirkt, gibt es viel vorzubereiten. Der erste Weidegang der Galloway-Rinder steht kurz bevor. „Das Gras muss nach dem Winter genug gewachsen sein, bevor die Tiere rausdürfen“, sagt Judith und zeigt auf das Feld. „Bald ist es soweit. Die Wassertröge haben wir schon rausgestellt.“

Auf der Wiese nebenan thront ein langes, auf Rädern stehendes Holzhäuschen: der Mobile Hühnerstall. Die Hühner bleiben für eine ein bis zwei Wochen an einem Ort und wandern dann von Weide zu Weide weiter. „So kann das Gras nachwachsen, der Boden erholt sich, und die Nährstoffe werden optimal verteilt. Ein natürlicher Dünger.“

Auch die Gemüsefelder sind in der Vorbereitungs-Hochphase. „Wir arbeiten ohne Spritzmittel, deshalb ist der richtige Zeitpunkt entscheidend“. Spinat, Radieschen und Zwiebeln dürfen schon in die Erde, empfindlichere Pflanzen müssen noch warten. „Regenerative Landwirtschaft ist ein weiter und ungeschützter Begriff. Bei uns bedeutet es unter anderem, dass wir den Boden so wenig wie möglich bearbeiten – die Qualität der Produkte spricht für sich.

Ps. Der Hof beliefert Restaurants wie die "Rüsterei" oder das "Silex" in Zürich – vielleicht findet sich ja bei einem Restaurantbesuch ein bekanntes Produkt auf dem Teller.

Person

Dass sie den Hof eines Tages übernehmen würde, war für Judith lange nicht vorstellbar. „Ich bin hier aufgewachsen, wollte aber immer weg“, gibt sie schmunzelnd zu. Es war Martin, der den Anstoss gab, zurückzukehren – obwohl er ursprünglich keine Verbindung zur Landwirtschaft hatte. Gemeinsam entschieden sie sich, den Hof nicht nur weiterzuführen, sondern ihn als Gemeinschaftsprojekt neu zu gestalten.

Heute ist der Rinderbrunnen mehr als nur ein landwirtschaftlicher Betrieb – er ist ein Ort der Zusammenarbeit. Entscheidungen werden nicht allein getroffen, sondern entstehen im Austausch mit dem Team. Jeder bringt seine Stärken ein, neue Ideen sind willkommen, und genau das macht den Hof so besonders. „Wir haben ein Team von sieben bis neun Personen. Luzia, Nadine und Stephan betreuen den Gemüsebau, Elwira die Blumenfelder. Martin und ich sind für die Tiere, Chrigi für den Ackerbau zuständig. Ladina und Maria kümmern sich um den Hofladen.“

P.S. Der Hof bietet die Möglichkeit, eigene Gemüsebeete zu mieten – bei dem du beim anpflanzen und ernten mithelfen kannst.

© March 2025 - Text: Céline Müller, Bilder: Alina Birjuk

Dieser Beitrag ist Teil unserer Kooperation mit Ruhe Visits. Wir besuchen ausgewählte Restaurants und Produzent:innen, die sich durch ihre besonders bodenbewusste Arbeit auszeichnen und erzählen ihre Geschichten.