Pilze - Mehr als eine Mahlzeit

20. Aug 2024 von Corinne Päper
Magazin

Pilze sind nicht nur zum Verzehr da. Sie haben in der Natur viele weitere Funktionen. Etwa als Symbiose-Partner von Bäumen und Pflanzen, die sie mit Nährstoffen und Wasser versorgen und so widerstandsfähiger gegen Trockenheit oder Krankheitserreger machen.

Steinpilze sind begehrte Speisepilze. Doch was wir essen, ist nur ihr Fruchtkörper. Wenig bekannt ist dagegen, dass ihr Fadennetz den Waldboden durchzieht und sie sich eng mit Eichen, Fichten und Kiefern verbinden. Das, indem ihr Pilzgeflecht in die feinen Wurzeln der Partner Bäume eindringt. “Mykorrhiza” nennt man diese Pilz-Wurzel-Verbindung, die auch viele andere Pilze eingehen.

Erhält ein Baum oder eine Pflanze Nährstoffe und Wasser aus tiefer liegenden Bodenschichten durch den Pilz, profitiert letzterer vom Zucker aus den Wurzeln des Baums für sein Wachstum. Ob mit oder ohne - die Unterschiede sind gross: Dank des weitläufigen Wurzel-Pilzgeflechts kann ein Baum bis zu 30 Prozent mehr Wasser aufnehmen als einer ohne Pilz-Symbiose. Das ist ein entscheidender Vorteil in Zeiten des Klimawandels. Nicht nur das: Mit Pilzen besiedelte Wurzeln eines Baums schützen diesen auch besser vor Krankheitserregern im Boden. Darüber hinaus wird die Erde durch das meterlange Pilzgeflecht stabiler, weil das Myzel organische und anorganische Bodenpartikel zusammenhält. So entsteht ein Boden mit stabilen Poren, der Wasser und Nährstoffe besser speichert.

Diese Symbiosen sind nicht aussergewöhnlich: Rund 80 bis 90 Prozent aller Pflanzen werden von Mykorrhiza besiedelt. Das gilt auch für viele moderne Kulturpflanzen. Etwa:

  • Weizen
  • Mais
  • Kartoffeln
  • Sonnenblumen
  • Sojabohnen
  • Zwiebeln
  • Kürbis
  • Linsen
  • Lein

Boden und Pilznetze schützen

Geschädigt werden die Pilznetze vor allem durch häufiges Umgraben oder Pflügen der Erde oder indem man diese “nackt” lässt, sagt Andres Stucke, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Institut für Geographie der Universität Hildesheim.

“Bedeckt man dagegen den Boden und bepflanzt ihn nach der Ernte neu, bilden die meisten Mykorrhiza-Pilze ein neues Pilznetzwerk mit anderen Pflanzen.” Am Besten sei es aber, den Boden “mykorrhiza-freundlich” zu bearbeiten. “Ich selbst bin ein grosser Fan der Broadfork. Mit diesem Gartengerät lockert man den Boden, ermöglicht es den Pflanzen tief zu wurzeln und erhält grösstenteils die Bodenstruktur.” Daneben helfe eine Mischkultur, der Wechsel zwischen Dauerkulturen und einjährigen Pflanzen sowie der Verzicht auf Pestizide, die das Pilznetzwerk schädigen.

Betrachtet man den weltweit schlechten Zustand der Böden, die häufig erodiert sind und einen geringen Humusanteil haben, könnte man auf die Idee kommen, sie mit Mykorrhiza-Pilzen zu beimpfen. Doch was bringt das? Erst Mitte 2024 machte ein Forschungsteam der Universitäten Zürich und Basel, von Agroscope und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) einen Versuch, bei dem auf 54 Maisfeldern in der Nord- und Ostschweiz Mykorrhiza-Pilze vor der Aussaat im Boden eingearbeitet wurden. Das Resultat? Auf einem Viertel der Äcker stieg der Ernteertrag um 40 Prozent. Auf einem Drittel der Äcker war das jedoch nicht der Fall. Dort wurde gleich viel oder sogar weniger geerntet.

“Die Bodenimpfung funktioniert vor allem, wenn viele pilzliche Krankheitserreger im Boden vorhanden sind”, erklärt Co-Erstautorin Stefanie Lutz von Agroscope. “Mykorrhiza Pilze wirken wie ein Schutzschild bei Krankheitserregern im Boden.” Deshalb sei der Ertrag in mit Krankheitskeimen belasteten Böden gestiegen, in den anderen Böden hingegen nicht, weil die Pflanzen dort ohnehin schon stark gewesen seien und hervorragend wuchsen. Künftig sei es aber möglich, durch die Analyse der vorhandenen Bodenpilze zu bestimmen, ob sich eine Impfung des Ackers mit Mykorrhiza-Pilzen lohne oder nicht. Dazu sei aber noch weitere Forschung nötig, so Co-Studienleiter Klaus Schäppi von der Universität Basel.

Statt auf Äckern, kann man auch einzelne Pflanzen mit Mykorrhiza beimpfen und sie danach verpflanzen. Bäume und Sträucher kann man sogar direkt in der Substanz einsetzen. “Dieses Vorgehen ist gut erforscht”, sagt Andres Stucke von der Universität Hildesheim. “In 60 bis 80 Prozent der Fälle siedeln sich Mykorrhiza-Pilze danach auf einer Pflanze an." Die Vorteile seien dieselben wie bei einer natürlichen Symbiose: “Beimpfte Pflanzen sind deutlich widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger und passen sich der Trockenheit besser an.” Dafür seien jedoch einige Voraussetzungen erforderlich, ergänzt Magdalena Steiner von Andermatt Biogarten einem Unternehmen, das auch Mykorrhiza-Produkte produziert. “Es braucht eine gute Bodenstruktur." Bei verdichteten und staunassen Böden sei es eher schwierig, eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen zu etablieren.

Doch wie kommt man zu einer besseren Bodenstruktur? “Den Boden verbessert man am Besten mit Kompost”, sagt Andres Stucke. Das hat viele Vorteile: “Er ist einfach herzustellen, ist kostengünstig und enthält viele Mykorrhiza-Sporen." Diese würden von Schnecken, Asseln Regenwürmern und anderen Bodenlebewesen verbreitet. Allerdings brauche es dafür etwas Geduld, sagt Andres Stucke. Dieser Vorgang lässt sich mit Mykorrhiza-Produkten beschleunigen, ergänzt Magdalena Steiner. Das, weil darin verschiedene Pilzstämme enthalten sind. Das heisst: Pflanzen finden leichter einen passenden Pilz-Pflanze. “So helfen wir der Natur auf die Sprünge.”

Pilz-Wurzel-Besiedelungsarten

Ekto-Mykorrhiza (Ekto = aussen).

  • Die Wurzeln dringen in die Wurzeln der Bäume oder Pflanzen und bilden ein Austauschnetz um die Pflanzenzellen herum. Etwa zwei Prozent der Pflanzen diese Symbiose. Es handelt sich dabei vor allem um Bäume und Sträucher.

Endo Mykorrhiza (endo = innen)

  • Auch hier dringen die Wurzeln in die Bäume und Pflanzen ein. Sie gehen aber einen Schritt weiter und schleusen ihr Austauschnetz in die Zellen der Pflanzen. Es wird geschätzt, dass etwa 80 Prozent der Pflanzen eine solche Verbindung eingehen, insbesondere Kräuter, Gräser sowie die meisten Nutzpflanzen

Nachweise: Stefanie Lutz, Natascha Bodenhausen et al. Soil microbiome indicators can predict crop growth response to large-scale inoculation with arbuscular mycorrhizal fungi. Nature Microbiology, 29 November 2023.

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