Vom Overshoot Day zum Regeneration Day

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Am Earth Overshoot Day werden alljährlich möglichst viele Menschen daran erinnert, dass wir bis dann als Spezies mehr Ressourcen von unserem Planeten beansprucht haben, als unser Planet in diesem Jahr wieder regenerieren kann. Dieser Tag war am 1. August letztes Jahr. Lebten alle auf der Welt wie wir in der Schweiz, wäre der Tag schon am 7. Mai. Was können wir mit unserer Ernährungskultur tun, um diesen Tag künftig weiter nach hinten zu verschieben?

Ins Leben gerufen wurde der Overshoot Day von der Nichtregierungsorganisation
Global Footprint Network. Sie berechnet jährlich, wie stark der Ressourcenverbrauch der Menschheit – bzw. einzelner Länder – über die regenerative Kapazität des Planeten hinausgeht. Der jeweilige Overshoot Day eines Landes markiert symbolisch den Tag, an dem die Nation den ihr verhältnismässig zustehenden Anteil an erneuerbaren Ressourcen für das laufende Jahr verbraucht hat. Er zeigt uns die planetaren Grenzen ganz konkret auf.

Zwischen Wohlstand und Verantwortung: Die Schweiz im Fokus

Es mag wenig tröstlich sein, aber der folgende Fakt reicht für ein «immerhin»: Die Schweiz mit ihrem hohen Einkommen gehört mit ihrem ökologischen Fussabdruck nicht zur absoluten Weltspitze der Ressourcenverschwender. Länder wie Katar (11. Februar), Luxemburg (20. Februar), die Vereinigten Arabischen Emirate (4. März) oder die USA (14. März) überschreiten ihre planetaren Konten gemäss Global Footprint Network wesentlich früher. Es handelt sich durchweg um sehr wohlhabende Staaten mit hohem Konsum und energieintensiver Industrie, mit der man den Verbrauch abfedern könnte. Es ist deshalb bemerkenswert, dass die Schweiz bei ihrem weltberühmten Wohlstand nicht weiter vorne rangiert. Zu verdanken ist das wohl dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren: einer kulturell bedingten Sparsamkeit, einem verbreiteten Umweltbewusstsein sowie politischen Massnahmen in den Bereichen Energieeffizienz und Recycling. Doch auf diesen Lorbeeren sollte sich das Land nicht ausruhen – der Overshoot am 7. Mai ist eher ein Weckruf denn eine Ehrenmeldung.

Ein späterer Overshoot beginnt auf dem Teller

Wollen wir den Schweizer Overshoot Day künftig in die zweite Jahreshälfte verschieben – was ein ambitioniertes und wirtschaftlich notwendiges Ziel ist – können wir bei unserer Ernährungskultur ansetzen. Was wir essen und woher unsere Lebensmittel stammen, hat einen unmittelbaren Einfluss auf den Ressourcenverbrauch des Ernährungssystems.

Soil to Soul betrachtet regenerative Landwirtschaft als Schlüssel für nachhaltige Ernährung. Diese Form der Landwirtschaft setzt auf den respektvollen Umgang mit der Natur und fördert ein Gleichgewicht zwischen Boden, Tieren und Pflanzen. Sie fördert nicht nur eine ressourcenschonende Tierhaltung, sondern auch die Erhaltung und Wiederbelebung von Böden, die für die langfristige Fruchtbarkeit entscheidend sind. In der regenerativen Landwirtschaft tragen Tiere aktiv zur Verbesserung der Bodenqualität bei – sie halten Grasland offen, fördern die Humusbildung und düngen auf natürliche Weise. Auf diese Weise können Flächen nicht nur erhalten, sondern sogar geschädigte Böden wieder fruchtbar gemacht werden.

Geniessen statt moralisieren

Fleisch und Tierprodukte aus regenerativer Landwirtschaft sind kein utopisches Konzept, sondern ein wichtiger Bestandteil eines zukunftsfähigen Ernährungssystems, das Ökologie und Versorgungssicherheit miteinander verbindet. Die regenerative Landwirtschaft trägt dazu bei, dass Böden wieder Wasser speichern, CO₂ binden und auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen stabile Erträge liefern – genau das, was wir brauchen, wenn extreme Wetterereignisse, Trockenperioden und Preisschwankungen zunehmen.

Regenerative Landwirtschaft ist nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein strategischer Ansatz: Sie stärkt die Resilienz unseres Ernährungssystems – und damit unsere Unabhängigkeit. Natürlich ist uns bewusst, dass der gesellschaftliche Trend derzeit in eine andere Richtung geht. Schnell, billig, mehr – das sind Werte, die wieder an Bedeutung gewinnen. Doch wie bei jedem Trend gibt es auch hier einen Gegentrend. Overshoot bedeutet nicht, dass wir keine Wahl haben. Overshoot ist unser Kontext, und den zu ignorieren wird uns zum Nachteil. Es geht daher im Wesentlichen darum bessere Entscheidungen zu treffen.

Einiges ist möglich

Mathis Wackernagel, Gründer des Global Footprint Networks und Beirat von Soil to Soul, meint:

„Der grösste Bremser ist, dass viele Menschen den Übergang zur Nachhaltigkeit als eine Frage des persönlichen Opfers für die Menschheit betrachten.“

Das hat auch die Abstimmung über das Leben innerhalb planetarer Grenzen vom 9. Februar gezeigt. Der Vorschlag wurde abgelehnt, da die Befürworter die Idee vertraten, dass es unsere moralische Pflicht sei, uns für die Menschheit zu opfern, während die Gegner der Meinung waren, dass dieses Opfer zwar edel, aber für die Schweiz zu kostspielig sei. Umgekehrt wurde ein halbes Jahr früher der Vorschlag, die erneuerbaren Energien auszubauen, eigentlich die gleiche Geschichte, in einer ähnlichen Abstimmung mit grosser Mehrheit angenommen, denn es wurde der Vorteil für die Schweiz betont. Davon braucht es mehr – nur so wird sich die Sichtweise durchsetzen, dass es nur von Vorteil ist, sich auf die unweigerliche Welt der Klimaveränderung und Ressourcenknappheit vorzubereiten.