Innere Werte gehören auf den Teller

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Die Haltung von Nutztieren als Fleischlieferanten geht mit einem ganzheitlichen Ernährungskonzept durchaus zusammen – wenn man dabei Foodwaste vermeidet und das ganze Tier verwertet wird.

Jeweils im Herbst machen in kulinarisch interessierten Kreisen Tipps die Runde, in welchen Lokalen man die beste Metzgete bekommt. Für alle, die das nicht wissen: Bei der Metzgete handelt es sich um die Schweizer Version des Erntedankfestes, anlässlich dessen früher auf den Bauernhöfen jeweils ein Schwein geschlachtet wurde. Diese Tiere hatten sich den ganzen Sommer über draussen aufgehalten und würden heute als Wiesen- oder Alpschwein qualifiziert. Namentlich auf den Alpen, wo das Vieh der Bauern gesömmert wurde, bekamen die Schweine die Molke zu fressen, also das, was nach dem Verkäsen der Milch übrig bleibt. Für diese Tiere war allerdings auf den Höfen im Winter nicht ausreichend Platz, weshalb sie teilweise geschlachtet wurden.

Nose to Tail, aber so richtig

Die Schlachtung der Schweine auf den Bauernhöfen war nichts für schwache Nerven, denn es war zentral, dass die wertvollen Tiere restlos verwertet wurden. Dabei floss Blut, das in der kühlen Herbsluft dampfte. Alles, was nicht mit Salz und Rauch für den Winter haltbar gemacht werden konnte, wurde im Rahmen des Schlachtfestes gemeinsam gegessen. Auf der Schlachtplatte, wie sie heute noch in einzelnen ländlichen Restaurants serviert wird, finden sich deshalb nicht nur Würste aus dem Blut und aus der Leber des Schweins, sondern auch Ohren, Schwänze und «Schnörrli». Die Zubereitung des ganzen Tieres, in den letzten Jahren unter dem Begriff «Nose to Tail» modisch geworden, war also damals selbstverständlich. Nun, vielleicht ging man nicht ganz so weit wie in China, wo sogar die Luftröhre des Schweins nach langer Kochzeit gegessen wird und wo Teile des Tiers salonfähig sind, die uns schaudern machen.

Innereien sind wertvoll

Nun geht es hier nicht darum, dass wir uns jeden Tag von Schweineohren ernähren sollen. Aber wer sich für ganzheitliche Ernährung interessiert, sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass Tiere zu einer bodenbewussten Lebensmittelproduktion wichtige Beiträge leisten können. Besonders die Regenerative Agrikultur setzt im Rahmen ihrer Bodenbewirtschaftung auf Hühner, Rinder und natürlich Schweine, die jeweils ihre Eigenheiten zur Bildung von neuem Humus ins Spiel bringen und es ermöglichen, auf vor kurzem noch strapazierten Böden wieder wertvolle Feldfrüchte zu pflanzen und zu ernten. Deshalb gibt es auch auf den allermeisten regenerativ geführten Betrieben Tiere, die auch geschlachtet werden. Es ist nur ethisch korrekt, dass man nichts von diesen Tieren einfach zu Futter verarbeitet oder gar wegwirft.

Aufwertung ist im Gang

Innereien gelten jedoch bei vielen Fleischkonsumentinnen und -konsumenten als unedel, und das sollte sich ändern. Ihre Zusammensetzung ist für die menschliche Ernährung von höchstem Wert. Das FoodLab von Soil to Soul, im Herbst 2024 erstmals durchgeführt, versucht den Städterinnen und Städtern das Konzept der Metzgete wieder näher zu bringen und Berührungsängste zu senken. Wer gerne kocht und auf dem Wochenmarkt Leber, Niere oder Zunge bekommen kann, sollte unbedingt im Internet nach passenden Rezepten suchen – alle diese Teile des Tieres waren noch vor wenigen Jahrzehnten sehr gesuchte Leckerbissen und schmecken hervorragend.

Auch die Sterneküche lässt Innereien vermehrt wieder ihren Wert zukommen und es wird an Möglichkeiten geforscht, mehr davon auf den Tellern der Degustationsmenus zum Einsatz zu bringen. Ebenfalls Teil des FoodLab im Herbst 2024 war ein Workshop des Zürcher Küchenchefs Carlos Navarro zum Thema Zunge in verschiedenen Darreichungen. Und das Menu des Alchemist in der globalen Gastro-Metropole Kopenhagen präsentiert im Herbst 2024 sogar eine roh verarbeitete und nach Tataki-Art gegrillte Zunge vom Rind. Wie beim Service verraten wird, kann das nur mit Zungen von weiblichen Tieren gemacht werden, deren Fleisch einen überdurchschnittlich hohen Fettanteil aufweist; im Normalfall muss dieser Muskel während rund zwei Stunden gegart werden. Dies mag als Beispiel extrem erscheinen, beweist jedoch, dass Innereien in der Kulinarik wieder wichtiger werden. Und solange Fleisch zu unserer Kultur gehört – was wir immer wieder diskutieren sollten – , kann das nur eine gute Entwicklung sein.

Bilder: Mauro Pinterowitsch, beim FoodLab 2024

Innereien-Tavolatas beim FoodLab

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